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Monitor

Der alltägliche Wahnsinn oder Ein ganz normales Konzert

Eine kleine Geschichte für Musiker und Tontechniker über das Thema “Monitore” sowie Verhaltensweisen von Musiker und jene die es werden wollen.

Ich erlebe es in regelmäßigen Abständen immer wieder; nachdem die Band in letzter Minute aufgebaut hat kommen Mörderpegel aus den Amps die mir die Nackenhaare senkrecht stehen lassen. Nach dem Drum-Soundcheck sagt der Gitarrist „...Ich brauche meine Gitarre auf dem Monitor deutlich lauter...“, ähnliche Sätze kommen dann von allen anderen Musikern im Minutentakt. Zum Ende des Soundchecks stelle ich dann fest, das ich eigentlich nur noch ein wenig Kick und paar obere Mitten / Höhen der Leadvocals auf die PA geben muss, der Rest kommt völlig undifferenziert aus allen Ecken der Bühne. Die Band findet den Monitorsound ganz ok, „...könnte mehr Eier haben, habt ihr hier keine Sidefills?...“, und ich frage mich leise und heimlich: „Für wen spielen die heute eigentlich; für das Publikum oder feiern die sich heute selbst?“

Nun, für die eine oder andere Rockband die im Jugendheim auftritt mag das ja ganz ok sein, allerdings treffe ich diese Situation auch bei professionellen Unterhaltungsdienstleistern an. Hier muss man sich dann als Band die Frage gefallen lassen; Glaubt ihr dass dieser Lärm dem Gala-Publikum wirklich gefällt?

 

Monitorlautsprecher dienen in erster Linie dazu sich selbst als Musiker zu hören, und zusätzlich wichtige Liedinformationen wie z.B. Gesang (...spielen wir gerade Strophe oder Ref...?) oder andere wichtige Instrumente die dem Song dienlich sind, zu übertragen. Es macht auf einer kleinen Bühne wenig Sinn sich die eh schon zu laute Snare und Kick auf den Monitor zu geben, dadurch wirken später die eigenen Instrumente wieder zu leise. Oftmals reicht es für das Taktgefühl völlig aus wenn man sich die Hihat auf den Monitor legen lässt, gerade bei leisen Stellen spielen Drummer die Hihat durch und jeder weiß wo die 1 liegt.

Unerfahrene Gitarristen hämmern mit Poti-Rechtsanschlag den Amp ins Nirvana („Die Röhren klingen erst wenn sie richtig Druck bekommen...) und brauchen zusätzlich das Brett aus dem Monitor. Wie das ganze dann klingt kann man sich ja dann wohl gut vorstellen. Professionelle Musiker stellen den Amp nicht Richtung Publikum, sondern seitlich leicht nach oben zeigend, man hört genauso viel, es geht aber weniger ins Publikum. Ganz professionelle Gitarristen stellen den Amp hinter die Bühne, dann darf der Amp brüllen, aber niemanden stört es. Gerade die letztere Variante ist sehr angenehm, zumal diese Klientel Gitarristen fast ausschließlich mit In-Ear unterwegs ist.

Einen Rock-Schlagzeuger dazu zu bringen leise zu spielen ist fast unmöglich, es sei denn man legt ihm Noten hin. Nein- im Ernst; ein gut gestimmtes Set mit vorsichtiger Dämpfung der Kick (Loch im R-Fell ist Pflicht für diese Art von Musik) ist die halbe Miete. Man kann auch mit einem Schlagzeug einen angenehmen Pegel schaffen, klingt aber in letzer Konsequenz nicht immer toll. China-Becken sind übrigens auf Kleinstbühnen und Seniorenveranstaltungen nicht immer zu empfehlen.

Die heimlichen Overheadmikrofone der Drummer sind oftmals die Mikros der Leadsänger.

Wenn der/die Leadsänger/in mit Schmalspur-Pegel ins Mikro haucht wird es für den Tonmann schon kritisch. Jedes Signal/Geräusch was auf der Bühne in der Nähe des Sängermikros zu hören ist, gelangt auch in sein Mikrofon. Wenn ein Sänger also leiser singt als der Umgebungspegel (Snare/Gitarre usw.) habe ich vorne im Pult nur den Bühnenlärm, aber nicht den Vocalakrobaten. Richtig interessant wird es für den Ton-Onkel wenn dieser Sänger sich dann ein In-Ear gekauft hat. Auf meine Frage hin ob wir denn den Monitor zu seinen Füßen nicht doch eben mit seinem selbst mitgebrachten Mikro checken sollten bekomme ich einen irritierenden Blick und werde mit einem ungläubigen müden Lächeln abgewiesen, er hat ja ein In-Ear-System. Da man sich mit einem In-Ear-System ohne Probleme die Stimme auf die Ohren hauen kann ohne eine Rückkopplung (Feedback) zu riskieren, wird dieser Sänger (weil er sich ja so gut hört) nicht allzu laut singen, und meine Soundprobleme am FOH steigen proportional an. Ich reiße den Gesangkanal bis zum Anschlag auf und bekomme den akustischen Wahnsinn der Bühne noch lauter in den Saal, der Irrsinn hat langsam Methode...

Was vielleicht beim Soundcheck noch halbwegs funktioniert hat wird dann zum Konzertbeginn in einem Desaster enden:

Das Adrenalin in den Adern, Lampenfieber im Nacken und die Vorfreude auf den Gig bringen nämlich Musiker dazu deutlich lauter (manche sogar schneller) zu spielen als beim Soundcheck. Alle Monitoreinstellungen sind zum Teufel, keiner hört sich oder den anderen zu laut, wildgestikulierende Adrenalinjunkies winken mir von der Bühne zu und hoffen auf Besserung der Situation. Das ich in diesem Augenblick damit beschäftigt bin das Schallchaos zu sortieren (klingt diese Halle eigentlich leer immer so unendlich anders als mit Publikum?) und dem Publikum einen Sound kredenzen möchte der den Namen auch verdient hat scheint auf der Bühne niemanden zu interessieren.

Aha - Nach dem Ausfall des In-Ear-Systems des Sängers (Batterien an der Tanke geholt...) möchte sich dieser nun doch auf seinem Monitor in Überlautstärke hören, leider verhindert seine dicke Ledertextmappe auf dem Frontgitter der Monitorbox einen akzeptablen Sound.  Nachdem er (sich bückend zum Textumblättern) zum 4. Mal das Mikro in den Monitor gehalten hat geben sich Feedbacks aller Frequenzen nacheinander die Hand, mein EQ im Monitorweg zeigt bald ein Abbild der Dolomiten und ich stelle in diesem Augenblick fest: Hätte der Veranstalter paar Euros mehr investiert säße jetzt ein Monitormischer auf der Bühne, dem ist aber heute leider nicht so. Also renne ich jetzt zur Bühne und gebe dem Sänger eine Batterie aus meinem Toolcase damit sein In-Ear-System wieder ans rennen kommt. Nachdem alle Wünsche der Pantomimen-Truppe auf der Bühne erfüllt wurden (einige erzählen ihre Monitorsoundwünsche auch während des Konzertes über das Frontmikro) versuche ich also das nun ins unermesslich gestiegen Lautstärkepotenzial zu begrenzen und arbeite mit Hochdruck daran einen Sound zu zaubern der es ermöglicht das man alle Instrumente hören kann, die Worte des Sänger versteht und beantworte nebenbei Fragen aus dem Publikum (...”Nein, du kannst dir bei mir kein Lied wünschen, ich bin der Tontechniker - nicht der DJ”...), ohne nicht nochmals zur Bühne zu sprinten, um dem Gitarristen meinen letzten 9V-Block für seine Aktiv-Akustik-Klampfe zu übergeben.

Nachdem das Konzert zu Ende, die Hälfte meiner Kabel mit Bier getränkt (die andere Hälfte mit Wasser/Cola) und die Band abgebaut hat, stelle ich fest, das mir ein Klinkenkabel (sind bei Tontechniker eh selten), eine Di-Box und  das Funkmikro abhanden gekommen sind. Nachdem ich dann alles wieder bei der Band eingesammelt habe gab es von dem Gitarristen der Band die Info „Die Keyboards waren auf meinem Monitor viel zu leise“ – tja... redenden Menschen (oder wildgestikulierenden) kann ich helfen, von einem Dankeschön keine Spur. Aus dem Publikum keine bösen Blicke oder Kritiken, hin und wieder war jemand dabei der sowas wie „...Alder- cooler Sound, hasse ma ne Karte- isch spiel auch inna Band...“ bewege ich mich langsam Richtung Ausgang, sehe mit einem Auge die sich selbst feiernde Band (...”hat voll gerockt, wir waren echt geil”...) und denke mir: „Naja- hätte auch schlimmer kommen können....“

 

 

 

Es geht aber auch anders:

 

 

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